Bis zu €300 Mio. sollen dem Fiskus pro Jahr durch Steuerhinterziehung durch Influencer entgehen. Ist das realistisch? Jetzt soll eine Task Force durchgreifen – zumindest in Nordrhein-Westfalen.
In Nordrhein-Westfalen ist ein spezielles Steuerfahndungs-Team („Taskforce Influencer“) im Einsatz, um mutmaßliche Steuerhinterziehung durch Influencer:innen zu verfolgen.
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Das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (LBF NRW) hat einem Datenpaket von rund 6.000 Social-Media-Accounts ausgewertet und ein steuerstrafrechtliches Volumen von etwa 300 Millionen Euro ermittelt – allein in NRW.
Die Behörde bestätigt, dass es derzeit etwa 200 laufende Strafverfahren gegen in NRW ansässige Influencer:innen gibt – mit durchschnittlichen Steuerausfällen im hohen fünfstelligen Bereich, in Einzelfällen auch in Millionenhöhe.
Die zuständige Leiterin Stephanie Thien betont, man richte sich ausdrücklich gegen „die ganz Großen“ der Szene, nicht gegen kleine Hobby-Accounts.
Viele Verdachtsfälle zeigten, dass einige Influencer:innen zigtausende Euro pro Monat verdienen, aber oft nicht einmal eine Steuernummer haben.
Die 300-Millionen-Euro-Zahl hat landesweit für Schlagzeilen gesorgt, doch sie bezieht sich ausdrücklich nur auf NRW (Datenpaket mit 6.000 Datensätzen). Bundesweit lägen die Summen im ähnlichen Rahmen, einen konkreten Gesamtwert gibt es aber noch nicht.
Zum Vergleich: Würden 300 Millionen Euro tatsächlich an Steuern abgeliefert, wäre dafür eine enorme Menge an Einkommen nötig.
Auch bei sehr hohen Steuersätzen kämen beispielsweise bei 50 % Steuerbelastung Gesamteinnahmen von rund 600 Millionen Euro ins Spiel (300M Steuer wären 600M Bruttoeinnahmen).
Selbst Top-Influencer:innen mit Millionen-Followern erzielen nur selten Jahresumsätze in dieser Größenordnung.
Zum Vergleich: Laut einer Branche-Analyse gibt es in Deutschland rund 440.000 Influencer insgesamt – davon sind 380.000 Nano-Influencer (unter 10.000 Follower) und 58.400 Micro-Influencer (bis 50.000 Follower).
Makro- und Mega-Influencer (mit vielen Hunderttausend oder Millionen Followern) sind demgegenüber nur in sehr geringerer Zahl vertreten.
Damit ist die Zahl der wirklich sehr einkommensstarken Influencer:innen im niedrigen Tausenderbereich – deutlich zu wenige, um allein 300 Millionen Euro Steuern zu generieren, wie manche Schlagzeilen suggerieren.
Die Behörden selbst sprechen denn auch nicht von einer jährlichen Ausplünderung, sondern von einem Gesamtvolumen aus dem untersuchten Datenpaket.
Vielmehr soll die Öffentlichkeitsarbeit der NRW-Taskforce unter anderem steuerscheuen Influencern eine „letzte goldene Brücke“ bieten: Wer sich jetzt meldet, kann oft mit einer Selbstanzeige die Strafbarkeit abwenden.
In den letzten Jahren haben mehrere prominente deutsche Social-Media-Stars ihren Wohnsitz ins Ausland verlegt.
Häufig genannt werden vor allem Ziele wie Dubai: Zahlreiche Influencer (z.B. Georgina Fleur, Fiona Erdmann, Simon Desue, Sami Slimani, die Familie Harrison oder Paola Maria) leben dort seit Monaten oder Jahren und bespielen ihre Kanäle von dort.
Das arabische Emirat lockt nicht nur mit Luxus, sondern auch mit niedrigen Steuersätzen.
In jüngster Zeit ist verstärkt von einem Trend auch zu EU-Zielen wie Zypern die Rede: Dem stern zufolge zogen etwa die Influencer Jonathan und Alina Schöck (zusammen rund 3,5 Mio. Follower) vor zwei Jahren nach Zypern, das für Selbständige einen einheitlichen Einkommensteuersatz von nur 12,5 % vorsieht.
Auch Mallorca oder die Schweiz werden gelegentlich genannt, ebenso kleinere Fluchtwege wie der Urlaubsort Santorini (Bianca „BibisBeautyPalace“ Heinicke zog 2017 nach Griechenland, kehrte aber nach wenigen Monaten zurück).
Hinter diesen Umzügen steht nach eigenen Angaben meist neben persönlichen oder beruflichen Gründen auch das Steuerklima.
Sind diese Influencer tatsächlich aus reiner Steuermotivation ausgewandert?
Beweisen lässt sich das nicht, vermuten jedoch schon.
Tatsächlich unterschätzen oder ignorieren viele Influencer:innen im Alltag ihre Steuerpflichten. Dabei ist laut offizieller Beratung klar: Influencer-Einnahmen sind grundsätzlich steuerpflichtig.
Das Bundesfinanzministerium stellt in einem FAQ unmissverständlich fest, dass auch Werbegeschenke (kostenlos überlassene Produkte, Gutscheine, Dienstwagen etc.) als Einkommen gelten und vollständig zu versteuern sind.
Solange die gesamten Einkünfte über dem Grundfreibetrag (derzeit ~9.600 Euro pro Jahr) liegen, muss der Influencer den Gewinn in einer Steuererklärung angeben.
Ebenso klar ist: Wer regelmäßig Einnahmen erzielen will, muss ein Gewerbe anmelden. Das offizielle Merkblatt mahnt: Jede:r Influencer:in müsse “Gewerbe anmelden” und den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung beim Finanzamt einreichen – möglichst innerhalb eines Monats nach Beginn der Tätigkeit.
Nur so erhält man eine Steuernummer und kann in die reguläre Buchführung starten. Doch in der Praxis lassen das viele sein oder melden sich erst sehr spät.
Öffentliche Berichte und Fahndungserkenntnisse zeigen, dass zahlreiche Influencer:innen nicht einmal eine Steuernummer haben, obwohl sie fünf- bis sechsstellige Beträge pro Monat verdienen.
Oft fehlt schlichtes Grundlagenwissen in Buchhaltung und Steuerrecht. Viele zahlen keine Umsatzsteuer, legen keine Gewinnermittlung vor und rühren noch nicht einmal die Pflichtbeiträge für Krankenversicherung an – bis das Finanzamt einklopft.
Selbst bei kleineren Beträgen kann das teuer werden: Wer als Selbstständige:r Einnahmen über 24.500 Euro netto erzielt, muss Umsatzsteuer abführen und Gewerbesteuer zahlen.
Tipp der Experten: Influencer:innen sollten sich frühzeitig Rat holen. Dazu rät selbst das LBF und Berufsverbände: Jedes Mal, wenn Geld fließt (ob in Geld- oder Sachleistungen), sollte eine Rechnung geschrieben oder zumindest eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung geführt werden.
Fehlende Steuernachzahlungen und Strafen können sonst leicht im höheren fünf- oder sechsstelligen Bereich liegen – etwa wenn der Fiskus beispielsweise nachträglich den Wert aller Gratisprodukte plus Zinsen fordert.
Nur mit solider Buchführung lässt sich einerseits Selbstanzeige (nach Entdeckung der Fahndung) sinnvoll vorbereiten und andererseits die wachsenden Marketing-Einnahmen sauber nachvollziehen.
Fazit: Die NRW-Taskforce sendet ein deutliches Signal: Influencer mit hohen Umsätzen stehen seit 2025 im besonderen Fokus der Finanzbehörden. Die theoretischen Verluste von 300 Millionen Euro Steuern rücken nun stärker in das Blickfeld.
Ob dieser Betrag jemals vollständig realisiert wird, bleibt abzuwarten – fest steht aber: Nur wenige deutsche Online-Stars erzielen Einkommen in einer Größenordnung, die allein den Fiskus derart stark belasten könnte.
Bis dahin gilt für alle Kreativen das geltende Recht: Verdienst muss versteuert, Dienstleistung angezeigt und Buchhaltung gepflegt werden – sonst drohen Nachzahlungen und sogar Strafverfahren.
Quellen: Offizielle Pressemitteilung des LBF NRW; Berichte von FAZ, Süddeutscher Zeitung (dpa) und BILD über die Influencer-Taskforce; Fachinterviews und Analysen in RND und anderen Medien (Stand Juli 2025).
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